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Album

„Ein Orchester kann alles sein, was der Komponist will. Anstatt also jeden Song mit dem gleichen Orchester zu bearbeiten, habe ich für jeden Song eine Art massgeschneiderten Orchesteransatz entwickelt" Moby

Singles

Über das Album

​"Musik ist wie eine verrückte Zeitmaschine", sagt Moby.

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"Musik kann vieles bewirken, wird auf unterschiedlichste Weise eingesetzt, aber durch sie kann man eben auch in die Vergangenheit eintauchen. Wenn ich "Night Moves" von Bob Seger höre, bin ich sofort zehn und sitze mit meiner Mutter und ihrem Hippie-Freund in einer Pizzeria in Norwalk in Connecticut, während das Lied in einer Jukebox läuft. Das ist durchaus auch Sinn und Zweck meiner Musik: Sie versetzt mich zurück, erinnert mich an die Umgebung und den Zusammenhang, in dem die Stücke entstanden sind, und lässt mich wahrnehmen, wie sich alles verändert hat." 

Auf Resound NYC – seiner zweiten Veröffentlichung bei Deutsche Grammophon – hat Moby eigene Stücke neu interpretiert und instrumentiert: 14 seiner legendärsten Tracks aus den Jahren 1994 bis 2010. Und er hat Sänger:innen zu seinem Projekt eingeladen, bemerkenswerte und vielseitige Künstler:innen wie Nicole Scherzinger, Gregory Porter, Ricky Wilson (Kaiser Chiefs) und Amythyst Kiah. 

Mobys 20. Studioalbum ist nicht nur eine Reflexion über eine bestimmte Zeit in seinem Leben, sondern auch über seinen Geburtsort und sein einstiges Zuhause. "Ich habe mir selbst die zugleich sehr allgemeine und doch konkrete Aufgabe gestellt, dass die Musik auf dem Album entweder in New York geschrieben sein muss oder dort aufgenommen worden sein soll", sagt er. "New York ist eine der berühmtesten Städte der Welt, absolut jeder kennt diesen Ort. Und natürlich ging es auch um meine persönliche, subjektive Beziehung zur Stadt. Als ich die Songs durchgegangen bin, kam mir das ganze Drumherum in den Sinn. Wo sind die Lieder entstanden? Wurden sie in der Mott Street aufgenommen? Oder auf der Upper West Side?" 

Doch seinen Anfang nahm Resound NYC eigentlich in seiner neuen Heimat, in Los Angeles. 2018 trat Moby – Pionier der elektronischen Musik mit weltweit über 20 Millionen verkauften Alben – mit dem LA Philharmonic unter der Leitung von Gustavo Dudamel in der Walt Disney Concert Hall auf; selbst der damalige Bürgermeister Eric Garcetti war anwesend, er spielte Klavier. 

"Schon der Gedanke an sowas wäre vollkommen abwegig gewesen", sagt Moby. "Mit 19, 20, als ich in einer verlassenen Fabrik lebte und an einem Abend vielleicht für zehn Leute Platten auflegte, hätte ich mir nicht im Traum ausgemalt, dass ich je einen Vertrag bei einem Label bekomme. Ich konnte mir nicht einmal vorstellen, dass sich jemand erbarmt und so tut, als möge er meine Musik, abgesehen von meiner leidgeprüften Freundin vielleicht." 

Als dann nach dem LA-Konzert Deutsche Grammophon an Moby herantrat und fragte, ob er an der Einspielung eines Orchesteralbums interessiert sei, musste er nicht zweimal überlegen: "Ich hätte auch das Orchesteralbum von sonstwem produziert oder den Kaffee gebracht, während er sein Orchesteralbum für Deutsche Grammophon macht. Natürlich war ich interessiert an einer eigenen Platte mit dem gelben Logo!" 

Deutsche Grammophon und Moby sind ein ungewöhnliches Match, immerhin ist Moby ein Mann, der neben seiner eigenen Musik bekannt ist für seine Arbeit mit Künstlern wie David Bowie, Public Enemy, Britney Spears, Ozzy Osbourne, den Beastie Boys und Daft Punk. Doch das Verschmelzen von symphonischen Klängen und Pop beflügelte seine Fantasie. 

"Bevor ich Punkrock für mich entdeckte, war ich versessen auf orchestralen Classic Rock", sagt er. "Mein erstes Konzert war 1978 Yes im Madison Square Garden. Klassischer Rock interessierte mich nicht sonderlich, bis ich mir Never Mind the Bollocks von einem Freund auslieh und das erste Clash-Album auf Kassette aufnahm. Aber orchestraler Rock war wirklich mein Ding, genau wie orchestrale Elemente im Rock, das Ende von "The Boxer" von Simon and Garfunkel zum Beispiel oder "Vincent" von Don McLean oder "Nights in White Satin" oder Led Zeppelins "Rain Song". Es war also mehr als verlockend, sich noch einmal mit meinen Liedern auseinanderzusetzen und zu gucken, ob sie einer traditionelleren, nicht-elektronischen, orchestralen Bearbeitung standhalten." 

Das Ergebnis war 2021 Mobys hochgelobtes Album Reprise, auf dem Musiker wie Kris Kristofferson, Mark Lanegan, Jim James und Skylar Grey zu hören sind. Mobys Ansatz war hier klassisch: "Wir haben die Musik in den East-West Studios eingespielt, da hat auch Frank Sinatra gearbeitet, im selben Raum, in dem die Beach Boys Pet Sounds aufgenommen haben, mit alten Mikrofonen und altem Equipment." 

Die unbegrenzten musikalischen Möglichkeiten aber gingen ihm erst beim folgenden Album auf. "Mir ist das geradezu peinlich, aber Orchestermusik war für mich etwas ganz Bestimmtes", sagt Moby. "Orchestermusik hieß: viele Leute auf der Bühne mit traditionellen klassischen Instrumenten. Nun ließ mich A&R wissen, dass ein Orchester alles sein kann. Es kann aus Turntables bestehen, es kann elektronisch sein, selbst Kanonen sind möglich – wie bei der Ouvertüre "1812". Ein Orchester ist das, was der Komponist sich vorstellt. Es gab also nicht das eine orchestrale Treatment für alle Songs, sondern eher ein eigenes Orchester für jeden Song, sowohl mit sehr traditionellen Elementen, aber eben auch mit alten analogen Synthesizern und einem alten Mellotron. Diese Kombination von eigenwilligen und modernen Elementen mit traditionellen war wirklich befreiend und befriedigend." 

Spannend sind die Arrangements auf Resound NYC, und sie überraschen. Sein “South Side”-Hit aus dem Jahr 2000 bekommt Wucht durch Anklänge an die Titelmelodien von amerikanischen Krimiserien aus den Siebzigern. "So hatte ich noch nie mit Bläsern gearbeitet", sagt Moby. "Erst da wurde mir klar, dass Musik, die ich mag, sehr oft unglaublich bläserlastig ist. Ich habe mir alte Platten von Konk angehört, das ist eine New Yorker Underground-Band, und die Bläser waren geradezu elektrisierend. Plötzlich dachte ich: "Oh, wir können aus dem Orchester machen, was wir wollen, her mit den aggressiven Bläsern eines Manu Dibango, der JB Horns oder der Konk, wir setzen die Bläser einfach sehr perkussiv ein." 

Ein wilder Mix sind auch die Stimmen; die unterschiedlichsten Sängerinnen und Sänger kommen  zusammen. "When It's Cold I'd Like to Die" (das Original war kürzlich in der Serie Stranger Things zu hören) wird von P.T. Banks gesungen, der sonst auf Hochzeiten in Texas singt. Ein Freund machte Moby auf Lady Blackbird aufmerksam, er fahndete umgehend nach der Jazz- und Retro-Soulmusikerin und schickte ihr das Instrumentalstück von "Walk with Me" seines Albums Wait for Me. "Schon am nächsten Tag hatte ich ihre Vocals im Postfach und sie übertrafen alles, was ich mir vorgestellt hatte", sagt Moby. "Ich musste die Instrumentierung deutlich zurücknehmen, sonst wäre es buchstäblich zu viel des Guten gewesen. Die Instrumentierung darf ganz sparsam sein, weil Lady Blackbirds Stimme so kraftvoll ist." 

Moby hatte auch eine gewaltige orchestrierte Fassung von "Run On" aufgenommen. Sein Hit aus dem Jahr 1999 basiert ursprünglich auf einem Sample von "Run On for a Long Time", einer 1949 von Bill Landford and The Landfordairs aufgenommenen Version des traditionellen "God's Gonna Cut You Down". Er schickte den Song an die großartige Soulsängerin Danielle Ponder. Die saß in jenem Augenblick bei ihrem Vater am Krankenbett. "Sie werde wohl "Run On" singen, sagte sie zu ihrem alten Herrn. "Ah, an den Song erinnere ich mich", erwiderte der. Offenbar hatte er ihn vor vielen Jahren selbst gesungen", erzählt Moby. "Also ließ sie ihn den Song noch einmal singen, nahm es mit ihrem Handy auf und schickte es mir. Und ich dachte: "Oh, jetzt kann ich von vorn anfangen." Wir haben alles in die Tonne gekippt, was wir eingespielt hatten, und ich habe das Stück neu geschrieben auf seinen Gesang." 

Als Unikum auf dem Album kommt die Fassung von Neil Youngs "Helpless" mit Margo Timmins von den Cowboy Junkies und Damien Jurado daher. "Das war der Lieblingssong meiner Mutter", sagt Moby, "und mit ihm verbinde ich eine meiner frühesten Erinnerungen: Ich bin drei oder vier Jahre alt und mit meiner Mutter in ihrem Plymouth auf dem West Side Highway unterwegs, als das Stück im Radio kommt. Einen New Yorker Song kann man dieses Lied wahrlich nicht nennen – da schreibt ein Kanadier über Ontario und das Ganze wird gesungen von einer Kanadierin und einem Mann aus Seattle –, aber für mich bedeutet er eine prägende erste Erinnerung. Diesen Song habe ich gehört, als ich gerade alt genug war, um zu begreifen, dass Songs und New York existieren." 

Mit Resound NYC reflektiert Moby auf die Entwicklung seines Werks, aber auch auf eine bestimmte Zeit, einen konkreten Ort und den Wandel der Welt. "Wenn ich ehrlich bin, hat diese Auseinandersetzung mit meiner Musik etwas Wehmütiges, fast Trauriges", sagt er, "und das hat nichts mit dem Älterwerden zu tun, sondern eher mit größeren kulturellen Zusammenhängen. Wenn man sich die Neunziger in Erinnerung ruft – Bill Clinton war Präsident, die Rave-Szene war dieses utopische Idyll, die Sowjetunion war Geschichte und der Klimawandel nur der Gedanke für ein Buch, das Al Gore schreiben wollte. Alles schien so prall und voller Möglichkeiten. Es kommt einem vor, als sei das sehr lange her. 

Das Potenzial unserer Welt und unserer Kultur zu feiern, das war Musikmachen damals. Heute ist es fast eine Zuflucht – eine Erinnerung, dass wir einst so voller Hoffnung waren." 
 
Februar 2023

Reprise

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Reprise Remixes

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